Ist das die Krönung - Die Systematik des Lebens

Ernst Haeckel hatte 1874 den Versuch einer Versinnbildlichung der Verwandtschaftsbeziehungen zwischen allen Lebewesen durch einen Stammbaum (rechts eine seiner Zeichnungen) gewagt. Ein Bild mit Wahrheiten und dennoch mit Fehlern. Es widerspricht der Kirche, weil es den Menschen nicht als individuelle Gottesschöpfung, sondern in Verwandtschaft mit allen anderen Lebewesen darstellt. Dennoch suggeriert diese Überlegung eine falsche Grundeinstellung. Sie zeigt den Menschen an der Spitze, als Krone des StammBAUMes. Es weißt dem zur Folge auch eine Trennung von oben und unten auf. Das ist eine sehr subjektive Wahrnehmung, die veraltet und nicht mehr zeitgemäß ist. Genauso könnte man statt von einem StammBAUM auch von einer StammWURZEL sprechen. Dort stünden die Protozoa (Einzeller) oben – an der Spitze – und die Metazoa (Vielzeller) unten. Das einzig Wahre ist, sich gänzlich von der Vorstellung von oben und unten, besser und schlechter, Krönung und Rest zu lösen.

Willi Hennig löste in den 1950ern das Denken von einem Stammbaum ab.Mit seinem Werk „Phylogenetic Systematics“ führte er die Grundzüge der Kladistik ein. Hierbei geht es ausschließlich um die phylogenetischen Verwandtschaftsbeziehungen. Das Prinzip ist simpel: es gibt eine Stammart, aus der durch eine Dichotomie zwei Schwestergruppen hervorgegangen sind. Diese beiden bilden mit der Stammart ein Monophylum und besitzen eigene, gemeinsame Synapomorphien. So simpel, wie dieser Aufbau ist, so kompliziert ist die Erstellung eines umfassenden Bildes aller Verwandtschafts- beziehungen. Diese werden in einem so genannten Kladogramm angeordnet. Im Gegensatz zum Stammbaum, gibt es kein Oben und kein Unten. Dennoch möchte ich folgende Frage aufwerfen:

Gibt es eine Krönung der Schöpfung? Nun, ich bin leider nicht
im Stande Religion und Wissenschaft in Einklang zu bringen, dafür reicht mein Wissen einfach nicht aus. Ich möchte den Punkt dennoch betrachten und lehne mich an eine ähnliche Hypothese an: Gibt es eine Krönung der Evolution? Um diese Frage hinreichend zu beantworten ist es zunächst wichtig zu definieren, was diese Krönung als selbige ausweist. Was macht einen zum König aller anderen? Sind es Fähigkeiten, die es Lebewesen ermöglichen in den unwirtlichsten Gegenden, auf Grund ihrer physischen Anpassungen zu überleben, oder doch eher Eigenschaften wie Vorhersagen, Erinnern, Kombinieren, Fühlen, Planen, etc., die der Mensch in angeblich einzigartiger Weise beherrscht?


Halten wir uns doch einmal eines vor Augen: Unsere Erde ist groß und vielfältig. Es gibt unwirtliche Gegenden und die reinsten Schlaraffenländer für das Leben. Das Leben stammt aus dem Meer und begann mit Protozoen. Also einzelligen Organismen, die auf kleinstem Raum eine unglaubliche Leistung erbringen können, zum Beispiel Paramecium caudatum (umgs. Pantoffeltierchen). Ein Einzeller aus der Gruppe der Alveolata (links ein Paramecium caudatum). Ich gehe in dem Beitrag „Ein Pantoffel für jeden Fall – Paramecium caudatum“ näher darauf ein. Die vielen unwirtlichen Regionen unserer Erde (links ein Black Smoker, darunter Fumarolen) werden nicht selten ausschließlich von mikroskopischem Leben bewohnt. Und das meist unter für uns tödlichen Bedingungen. Wie zum Beispiel die Halobakterien, die sogar in einer nahezu vollständig gesättigten Salzlösung, oder in fast reiner Salzsäure leben können. Andere Archaen sind so thermophil (gr. thermo= Wärme, phil= liebend), dass sie sogar noch bei 130°C überleben. Für uns Menschen sind das undenkbare Lebensbedingungen. Es geht bei der Evolution doch nicht darum, wer ist der "Klügere", wer hat das größte Gehirn. Die Erde bietet viele Nischen für das Leben und der ureigenste Selbsterhaltungstrieb veranlasst das Leben in alle Bereiche vorzudringen. Jedes Lebewesen muss sich also im Konkurrenzkampf um einen Platz auf der Erde beweisen und das geht nur, wenn es eine Nische findet, die es alleine, bzw. erfolgreicher besetzt. Wer die meisten Nachkommen hervorbringt (von denen natürlich auch viele überleben sollten) hat einem sonst gleichwertigen Organismus gegenüber einen Vorteil. Er wird den Anderen einfach zahlenmäßig verdrängen, wenn dieser nicht reagieren kann.


Aus diesem Konkurrenzkampf, aber auch aus natürlicher Selektion und Mutation der Organismen hat eine riesige Artenvielfalt ihren Anfang genommen. Von dieser Masse ist nur ein Teil rezent (heute noch am Leben), der andere Teil liegt uns, wenn überhaupt, nur als Fossilien vor.


Als Vertreter der Homo Sapiens bilden wir nur einen Bruchteil der gesamten Artenvielfalt unserer Erde. Eine einzige Art, der Millionen von Insekten, tausenden Fischen und einer unglaublichen Masse an anderen Wasser- und Landbewohnern gegenüberstehen.


Jede Art tat ihr Bestes (1) um im jeweiligen Lebensraum erfolgreich zu sein. So entwickelten sich aus den Protozoen (Einzellern) die Metazoen (Vielzeller) und so weiter. Und es ging immer nur darum, erfolgreich zu sein. Nicht klüger.


Intelligenz schafft Voraussicht, aber Erfolg sichert das Überleben.
Erfolg und Intelligenz schließen sich weder ein, noch aus.









Anhang

(1) Das ist nur im übertragenen Sinne gemeint. Lebewesen sind nicht aktiv dazu befähigt, ihre Morphologie gezielt genetisch so zu verändern um sich den Umweltbedingungen bestmöglichst anzupassen. Darum gibt es auch das Wort Anpassung eigentlich nicht. Wenn es überhaupt verwendet wird geht es immer nur um die passive Angepasstheit, also durch Mutation und Selektion. Dass der Mensch wieder einmal eine Ausnahme bildet, wundert schon lange niemanden mehr.

Weiterführend:
- Hier ist zusammengefasst, was es zu Kladogrammen zu sagen gibt.

- Hier findest du alles, was du über Willi Hennig wissen musst.

- Mensch - die Krönung der Schöpfung. Wie schade, daß es eine Dornenkrone ist.

Originalzitat von Stanislaw Jerzy Lec Stanislaw Jerzy Lec


Quellen- und Bildnachweis: www.wikipedia.de



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