Du kommst hier net rein! - Kanäle

Kanäle, Kanäle, Kanäle. Das Leben wäre ohne sie gar nicht denkbar. Alle Zellen unseres Körpers besitzen eine unglaubliche Variation an Kanälen. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, kleinste Ionen und Moleküle Membranen passieren zu lassen. Das klingt im ersten Moment vielleicht trivial, doch das ist es ganz und gar nicht. Wenn wir uns erst einmal bewusst werden, dass Kanäle nicht einfach nur ein Tor sind. Sie sind gleichzeitig auch Kontrolleur. Es können weder beliebige Stoffe hindurchtreten, noch in beide Richtungen zugleich. Kanäle sind viel mehr spezifisch, als wir glauben und dennoch simpel in ihrem Aufbau.

Die mit unter wichtigsten Kanäle sind wohl die Aquaporine. Peter Agre und Roderick MacKinnon bekamen 2003 den Nobelpreis, weil sie als erste den Mechanismus der Aquaporine auf chemischer Ebene erkannten. Tatsächlich ist ihre Funktionsweise ein wenig knifflig, doch wenn man einmal die Antwort kennt, dann möchte man gar nicht glauben, wie logisch alles funktioniert. Nähern wir uns dem Problem Schritt für Schritt.

Wir müssen aus den vielen tausenden Ionen, Molekülen und Substanzen eine Auswahl treffen. Um genau zu sein, nur ein einziger Stoff soll hindurch: Wasser. Die erste Wahl treffen wir durch den trichterförmigen Eingang. Er verengt sich bis auf die Größe, dass gerade so ein Wassermolekül hindurchpasst. Natürlich passen auch kleinere hindurch. Alles was größer als ein Wassermolekül ist, ist jetzt schon einmal ausgeschlossen.


Während wir im vorangegangenen Schritt den molekularen Bau (Größe) ausgenutzt haben, nutzen wir nun die Konformation und die Bestandteile des Moleküls. Denn das Molekül Wasser besteht aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom.
Dieses hat eine so hohe Elektronegativität, dass es die negativen Ladungen der beiden Wasserstoffatome zu sich hin verschiebt. Wir haben also kein neutrales Molekül (neutrale Ladung über das gesamte Molekül verteilt), sondern ein Molekül mit partiellen Ladungen. Nämlich positive Ladungen an den Wasserstoffatomen und und eine negative Ladung am Sauerstoffatom. Diese beiden Ladungsschwerpunkte lassen das Wassermolekül nun durch den Rest des Aquaporins "tanzen".

Leicht versetzt befinden sich in den "Wänden" der Aquaporine ebenfalls negative
und positive Ladungen. Die Wassermoleküle "hangeln" sich nun sozusagen an den Ladungen entlang. Dabei wird die anziehende Wirkung zweier entgegengesetzter Ladungen ausgenutzt. Es kommen also nur noch die Moleküle weiter, die höchstens so groß sind wie das Wassermolekül und dazu noch denselben Dipolcharakter besitzen.

Diese Beiden Stufen: Selektion durch Größe und Selektion durch Ladung, machen die semipermeable Eigenschaft der Aquaporine überhaupt erst möglich. In der Tat ist ein Aquaporin schon ein kleines Kunstwerk an sich. Doch ein weiteres Beispiel, die Kaliumkanäle, sollen zeigen, dass den gedanklichen Kniffen keine Grenzen gesetzt sind.

Der Kaliumkanal ist, wie auch alle anderen Kanäle, ein Protein. Seine Struktur
selektiert , ähnlich dem Aquaporin nach der Größe, doch etwas ist hier anders. Das eigentlich kleinere Natriumion passiert den Kanal nicht. Das widerspricht doch der Logik, oder? Vielleicht widerspricht es der Logik, aber nicht den physikalischen Gesetzen, denn hier wird nicht einfach nach der Größe getrennt. Hier geht es zur gleichen Zeit auch um die Ladungen (also ein kombinierter Schritt). Kalium und Natriumionen besitzen eine Hydrathülle, was nichts anderes bedeutet, als das sich an den positiv geladenen Ionen die negativ geladenen Sauerstoffatome von Wassermolekülen angelagert haben. Um jedoch den Kanal passieren zu können, muss diese Hydrathülle abgegeben werden. Nur das Kaliumion hat genau die Größe, dass dies energetisch günstig verläuft. Denn das Kanalprotein besitzt in vier entgegengesetzten Richtungen Sauerstoffatome, die in den Kanal hineinragen. Sie sind genauso weit von einander entfernt, wie die Sauerstoffatome am Kaliumion. Das Kaliumion "gleitet" also einfach in den Kanal hinein.

Das Natriumion kann das nicht. Es ist tatsächlich zu klein. Es könnte nicht gleichzeitig mit allen vier Kanalsauerstoffatomen eine Ionenbindung eingehen. Die Abgabe der Hydrathülle wäre in diesem Fall energetisch ungünstig und verliefe nicht freiwillig.

Aquaporine und Kaliumkanäle sind nur ein kleiner Ausschnitt aus der Vielzahl an Kanalproteinen. Auch wenn diese nicht allein den gesamten Transport ausmachen (es gibt auch noch aktive Membrantransporter), ...

... so zeigt sich doch schon, dass das Leben nicht nur im Großen, sondern auch
im ganz Kleinen äußerst Komplex sein kann.

Interessante Seiten zum Weiterlesen:
Noelpreis für Kanäle
Animation des Aquaporins

Bildnachweis:
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