Let's talk about sex

Ich sehe es schon vor mir, wie dieser Artikel die Leser anziehen wird. Was die drei Buchstaben im Titel doch für Wirkung haben können. In Wirklichkeit ist die Wirkung so stark, dass die eigentliche Bedeutung des Wortes Sex verschwunden ist. Zumindest, was der Naturwissenschaftler darunter versteht. Denn Sex und Vermehrung sind nicht dasselbe. Beide können zusammen auftreten, aber sie bedingen einander nicht. Aber genug der um den heißen Brei kreisenden Worte. Was ist Sex? Unter diesem Synonym versteckt sich nichts anderes als das Durchmischen von Genmaterial.

Doch, was bedeutet das eigentlich? Wie mischt man das Genmaterial durch was mein der Volksmund, der ja sehr viel erzählt, mit: Da kommt frisches Blut in die Familie. Dieser Thematik gehen ganze Buchbände nach, denn es ist ein großes Themengebiet. Es beinhaltet die geschlechtliche (generativ) und ungeschlechtliche (vegetativ) Fortpflanzung, den Genaustausch durch Konjugation und noch vieles mehr.

Aber, fangen wir doch – wie immer – ganz von vorne an. Das Wesen des Lebens ist offensichtlich die Entwicklung und die Vermehrung von Individuen. Auf kleinster Ebene bedeutet das zum Beispiel, dass sich ein Bakterium teilt. In größerer Skalierung, bekommt zum Beispiel eine Elefantenkuh ein Junges. Beide Male fand die Vermehrung von Individuen statt. Doch an diesen beiden Beispielen können wir auf ganz einfache Weise die fundamentale Unterscheidung dieses Prozess in sexuell und asexuell vornehmen. Während es sich bei der Teilung des Bakteriums um einen asexuellen Prozess handelt, ist das Kalben der Kuh ein Beispiel für die sexuelle Vermehrung.

Was unterscheidet nun aber sexuell von asexuell? Nun, diese beiden Fortpflanzungswege unterscheiden sich hinsichtlich der beteiligten Partner. Während die asexuelle Vermehrung nur einen Elter benötigt (uniparental), sind für die sexuelle Vermehrung zwei Eltern (biparental) nötig. Mit diesen beiden Aussagen ergeben sich schnell sehr viele Erkenntnisse über die beiden Fortpflanzungsmodi.

Wenn für die asexuelle Fortpflanzung nur ein Partner nötig ist, dann kann dadurch eine Menge Energie, also Ressourcen gespart werden. Denn die sexuelle Fortpflanzung benötigt zwei Partner, die sich suchen, werben und schließlich paaren müssen. Das kostet Zeit, Nahrung und Lebensraum. Ressourcen, die in der Welt von Fressen-und-gefressen-werden (unserer Welt) sehr rar sind. Die übermäßige Verzierung von Pfauen und die Machtkämpfe von Seeelefanten, sind nur zwei Beispiele von der Verschwendungssucht der sexuellen Fortpflanzung. Dabei sprechen wir hier noch nicht einmal von den Männchen einer Population, die genauso viele Ressourcen (wenn nicht so gar mehr), wie Weibchen verbrauchen und doch keine Nachkommen zur Welt bringen. Was kann da nur der Vorteil von Sexualität sein? Gibt es überhaupt Vorteile?

Es muss Vorteile geben, sonst hätte sich die Strategie nicht so erfolgreich durchgesetzt. Dafür wollen wir uns zunächst die asexuelle Fortpflanzung anschauen. Wie schon gesagt, es ist nur ein Elter nötig um neue Individuen zu erzeugen. Das passiert nicht ausschließlich im Reich der Bakteria, die einzellige Organismen darstellen. Auch im Reich der ein- und vielzelligen Eukaryoten (u.a. Tiere und Pflanzen) kommt es zur asexuellen Vermehrung.

Bei den Tieren wäre da Hydra, aus der Gruppe der Cnidaria (Nesseltiere) zu nennen. Sie ist ein einfacher Organismus, der aus einem Schlauch mit Fußscheibe besteht und am gegenüberliegenden Ende mit Fangarmen bewehrt ist. Im unteren Bereich des Schlauches befinden sich stammzellähnliche Zellen, die sich bei jeder Teilung in eine Stammzelle und eine Körperzelle auftrennt. In diesem Bereich sprossen neue Hydren, die sich vom Körper ablösen können und mit saltoartigen Bewegungen vom Muttertier entfernen.

Im Reich der Pflanzen kommt die Asexuelle Vermehrung sehr häufig vor. Man denke nur an die überirdischen Ausläufer der Erdbeere, die unterirdischen Ausläufer der Himbeere und Brombeere, den Knollen der Kartoffel, sich ablösenden Knospen der Begonien und den Senkern der unkaputtbaren Grünlilie (Bild rechts). Dies alles sind Methoden um die Individuenanzahl zu vergrößern, aber ohne Sex zu haben.

Ein großer Vorteil der asexuellen Vermehrung ist, dass sie kostengünstiger ist, als die sexuelle (siehe oben). Zum anderen ist sie im Vorteil wenn es um die schnelle Besiedlung von Raum geht. Ein Individuum, das einfach „nur“ knospen, oder sich teilen muss, ist mit diesem Vorgang natürlich viel schneller, als Individuen, die sich erst paaren müssen. Das ist auch der Grund warum sich vor allem im Pflanzenreich die asexuelle Vermehrung gehalten hat. Pflanzen sind immer die ersten, die ein neues Habitat besiedeln. Nach einem Waldbrand, oder verheerenden Stürmen, nach Überflutungen oder Dürren sind es die Pflanzen, die als Pioniere als erste zurückkommen. Das macht auch Sinn, sind sie doch immer die ersten in einer Nahrungspyramide.

Nach diesem kurzen asexuellen Ausflug können wir uns wieder die Frage stellen: Was ist denn nun der Vorteil von sexueller Fortpflanzung? Und könnten wir dann auch gleich noch die Frage mit dem Gene durchmischen klären? Ja, das können wir. Dafür müssen wir uns aber zunächst noch ein weiteres Bild vorstellen. Wir sprechen im folgenden von Populationen, also Gruppen von Individuen derselben Art. Jedes Individuum besitzt ein eigenes Genom (die Gesamtheit aller Gene einer Zelle), das in jeder Körperzelle gleich ist. Dieses Genom wird auch als Genotyp bezeichnet. Alle Genotypen einer Population bilden den so genannten Genpool. Dabei sagt die Variabilität des Genpools nicht zwangsläufig etwas über die Variabilität der Phänotypen (durch die Gene verursachtes, sichtbares Erscheinungsbild eines Individuums) in der Population aus. Woran das liegt?

Einschub: Genetik für Anfänger
Nun, die meisten Tier- und Pflanzenarten besitzen einen diploiden (doppelten) Chromosomensatz. Der doppelte Chromosomensatz kommt zu jeweils 50% von einem der beiden Elter. Diese haben in ihrem Körper so genannte Keimzellen (Gameten) ausgebildet, die sich von allen anderen Körperzellen darin unterscheiden, dass sie nur einen einfachen, also haploiden Chromosomensatz besitzen. Dafür ist eine besondere Zellteilung nötig, die auch als Reduktionsteilung bezeichnet wird: die Meiose. Verschmelzen Oocyte und Spermatocyt zur Zygote, ist diese der Beginn eines neuen Individuums, das nun ebenfalls diploid ist. Es hat dabei jeweils zwei Kopien von jedem Gen. Die verschiedenen Ausprägungen eines Gens werden als Allel bezeichnet. Eine Pflanze zum Beispiel kann sowohl ein Allel für rote Blütenfarbe auf dem einen Chromosom tragen und für gelb auf dem ande
ren. Am Ende ist jedoch nur die dominante Form als Phänotyp ersichtlich.

Das liegt daran, weil im Genom rezessive (unterdrückt) Allele über viele Generationen im Genpool bleiben können, ohne dass sie zur Ausprägung gelangen. Und so langsam nähern wir uns dem Punkt an. Denn sich asexuelle fortpflanzende Individuen können sich an sich veränderte Umweltbedingungen nur durch zufällige Mutationen „anpassen“. Während in einem Genpool von sich sexuell fortpflanzenden Individuen schon veränderte Phänotypen (rezessiv) vorliegen. Durch die Rekombination von, für die aktuellen Bedingungen besseren Allele, kommen so schneller Individuen zu Welt, die eine erhöhte Überlebenschance besitzen. (Natürlich unterliegen sie, genau wie alle anderen Individuen der Selektion).

Einschub: Wie kommt es zur Variabilität der Genome?
Insgesamt drei zufällige Vorgänge sind an der Variabilitäsbildung beteiligt (ausgenommen zufällige Mutationen)*. Diese finden alle während der Keimzellbildung statt.
Zufall 1: Bei der Meiose lagern sich die elterlichen Chromosomen paarweise zusammen. Dabei kann es zum so genannten Crossing Over kommen (Austausch von ganzen Abschnitten beider Chromosome). Dadurch entstehen Chromosome mir einer Allelkombination, die so bei den Eltern zuvor nicht vorgelegen hat.
Zufall 2: Bei den folgenden zwei Teilungen der Chromosomsätze ist es rein zufällig, zu welchem Pol die beiden Chromosomkopien gezogen werden.
Zufall 3: Bei der Befruchtung ist es rein zufällig, welches Spermium mit welcher Eizelle verschmilzt.
Alles in allem steckt hier eine so große Portion Stochastik drin, dass die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind denselben Genotyp wie eines seiner Eltern besitzt, gegen 0 geht.

Wenn eine Population verschiedene Genotypen beinhaltet, kann mal der eine, mal der andere der Population einen Vorteil verschaffen. Kurz: die sexuelle Fortpflanzung erhöht die genetische Flexibilität einer Population. Während bei der asexuellen Vermehrung alle Nachkommen Klone sind (identisches Genom), bringt die sexuelle Fortpflanzung Individuen mit ganz eigenem Genom hervor. Je nach den äußeren Bedingungen hat sich die sexuelle, die asexuelle, oder eben beide Formen der Fortpflanzung bei den verschiedenen Arten erhalten.




* Für die Variabilität von Genen sind natürlich Mutationen verantwortlich. Bloßes „Umstellen“ der Genausprägungen zwischen Chromosom 1 und Chromosom 2 ist nicht die Ursache dafür, dass dem Nashorn ein Horn gewachsen ist. Aber wohl dafür, dass es bis heute überlebt hat.


Bildnachweis
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