Parasiten I: Malaria


Schlimmer noch als manch Krieg waren schon immer Krankheiten, Seuchen und Epidemien. Neben der Spanischen Grippe der neuen Zeit, die etwa 25Millionen Menschen zwischen 1918 und 1920 in Europa das Leben kostete, gab es auch in der Antike eine Krankheit, die immer wieder Tausende in den Tod riss.

Im alten Rom hatte man der Erkrankung den Namen Malaria gegeben. Das Wort setzt sich aus dem Altitalienischen Wort mala, für schlecht, und aria, für Luft, also schlechter Luft, zusammen. Denn sowohl Gelehrte als auch Mediziner gingen davon aus, dass diese todbringende Krankheit von schlechter, also unsauberer Luft verursacht wird. Das ist verständlich, da ein verschwitzter, kranker, geschwächt und ungewaschener Körper garantiert nicht nach Frühling duftet. In unseren Gefilden hat sich eine andere Bezeichnung durchgesetzt. Man spricht hier von dem Schwarzwasserfieber. Die Krankheit wurde danach nicht nach den Umständen des Erkrankens, sondern nach einem bestimmten Symptom benannt. Denn Malaria führt zum Absterben von roten Blutkörperchen. Diese werden dann über den Urin, der somit eine schwarzrote Färbung bekommt, ausgeschieden.


Was ist nun eigentlich Malaria? Die Krankheit wird von einem Errerger (Plasmodium sp.) ausgelöst, der in die Großgruppe der Alveolata gehört (siehe Kladogramm). Dieser wird auch als Blutparasit bezeichnet, weil er von und im Blut verschiedener Organismen lebt. Sein Lebensraum sind also wässrige Lösungen, also auch Speichel. Es gibt insgesamt vier Arten des Malariaerregers, die Menschen töten können. Sie werden darum auch als Humanpathogene bezeichnet. Diese sind: Plasmodium vivax, Plasmodium ovale, Plasmodium malariae, Plasmodium falciparum (Schwarzwasserfieber).


Diese vier lösen unterschiedliche Symptome aus. Am auffälligsten sind die Fieberwellen, die Malariaerkrankte erleiden müssen. Sie folgen in periodischen Abständen zwischen drei und vier Tagen (also 72 bzw. 96 Stunden). Daraus ergeben sich die folgenden Krankheitsbezeichnungen:

P. vivax und P. ovale verursachen die Malaria tertiana,

P. malariae verursacht Malaria quartana und

P. falciparum verursacht die Malaria tropica (typische Afrikaerkrankung).


Alle vier lösen im menschlichen Körper einen Mechanismus aus (auf den wir später noch zu sprechen kommen), der tödlich enden kann. Weil es Malaria schon seit vielen Millionen Jahren (1) (s. Anhang) gibt und insgesamt wohl schon 45Millionen Menschen das Leben gekostet haben soll, wird sie auch als Geißel der Menschheit bezeichnet (2). 45% der gesamten Menschheit ist permanent von Malaria bedroht. Derzeit sind etwa 300Millionen Menschen infiziert. Davon leben zirka 90% in Afrika. Gerade Afrika bereitet die Krankheit große Probleme. Die Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) gibt an, dass das Bruttoinlandsprodukt Afrikas ohne Malaria um 100Mrd. Dollar größer wäre als bisher.


Doch, wenn heute so viele Menschen an Malaria versterben, warum sind dann nicht auch unsere Vorfahren vor tausenden Jahren schon ausgestorben? Das liegt ganz einfach daran, dass sich der Vektor, die Anopheles Mücke, (als Vektor wird ein Krankheitsüberträger bezeichnet) erst in jüngster Zeit rasend schnell in viele Arten aufgeteilt hat, z.B. Anopheles gambiae. Daran ist der Mensch nicht ganz unschuldig. Er ist in gewisser Weise für diese Diversität verantwortlich. Denn Mücken legen ihre Eier in z.B. kleinen Pfützen. Diese können in unmittelbarer menschlicher Nähe auch auf Flachdächern, in umgedrehten Radkappen, oder Mülleimerdeckeln entstehen.


Der Mensch versuchte den kleinen Plagegeistern Herr zu werden. Der bekannteste und größte, zugleich aber auch erfolglose, Einsatz des Giftes DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) tötete zwar einen Teil der Anophelespopulationen (rechts eine Haus nach DDT-Anwendung), brachte im selben Zug aber auch DDT-resistente Stämme hervor. Es war nicht möglich, den Vektor der Malaria auszuschalten. Der einzige Weg, der sich dann noch bot, war den Erreger zu vernichten. Denn je weniger sich an der Krankheit infizieren, desto weniger Mücken saugen infiziertes Blut auf und umso weniger werden dann weitere Menschen infiziert. Dadurch wäre es theoretisch möglich die Malaria auszulöschen. Dann würde Plasmodium ein wichtiger Zwischenwirt fehlen und seine Vermehrung käme zum Erliegen. Aber was passiert eigentlich genau im Körper?


Plasmodium ist also wirtsspezifisch. Damit hier keine Verwirrung aufkommt: der Wirt ist nicht der Mensch, sondern die Anophelesmücke. Der Mensch dient lediglich als Zwischenwirt.


Alles beginnt mit einem Stich einer weiblichen Anophelesmücke. Warum das so genau eingegrenzt werden kann, ist einfach zu beantworten. Zum einen stechen nur die weiblichen Mücken, weil sie das Blut für ihren Nachwuchs benötigen und zum anderen ist Plasmodium, wie schon gesagt wirtsspezfisch. Der Mensch dient dem Erreger dabei als Zwischenwirt. Mit dem Stich beginnt ein Kreislauf, der sich in 10 Teilschritte unterteilen lässt (s. Kreislauf nebenan):

  1. Über den Speichel der Mücke werden zwischen 10 und 100 Sporozoiten in den Blutkreislauf eingeschleust. Über das Blut gelangen die Sporozoiten in die Leber. Auf ihrem Weg verstecken sie sich erfolgreich vor der körpereigenen Immunabwehr.
  2. Nach 30Minuten ist kein Sporozoit im Blut mehr nachweisbar. In den Leber-, oder in Endothelzellen (Lebergefäß- wandzellen) verwandeln sich die Sporozoiten zu Hypnozoiten, also "Schläfer"zellen). Diese tun nichts weiter, als warten. Nach einer bestimmten Ruhephase haben sich dann aus den Hypnozoiten Merozoiten gebildet (etwa 2^13 - 2^15 Stück). Da diese Teilungsphase (schizogen) in der Leber statt findet, wird der Prozess auch als endohistocytäre Schizogonie bezeichnet.
  3. Die Exposition der Merozoiten im Blut ist nur sehr kurz. Denn alle Merozoiten werden zum selben Zeitpunkt aus den Leberzellen abgegeben und in den Blutkreislauf geschickt. Dort dringen sie in Blutkörperchen (den Erythrocyten) ein. Mit diesem Schritt lassen sie die Leber hinter sich. Sie werden die Leber nicht noch einmal befallen. Sie gelangen in die nächste Phase, bei der sie sich wieder ungeschlechtlich vermehren (wieder schizogen). Da er im Blut stattfindet, heißt er erythrocytäre Schizogonie.
  4. In den Erythrocyten angelangt (siehe Mikroskopbild nebenan), wächst der Merozoit und teilt sich dann in 10 bis 20 neue Merozoiten. Diese nehmen soviel Raum ein, dass der Erythrocyt einfach platzt. Die freiwerdenden Merozoiten befallen sofort die nächsten Erythrocyten.
  5. Dieser Kreislauf setzt sich vier Mal fort, bis er überhaupt von der Immunabwehr erkannt wird. Erst ab dem fünften Zyklus greift der Körper ein. Doch es gibt nicht viele Möglichkeiten der Abwehr. Um es ketzerisch auszudrücken: Der Körper räumt nur noch die Scherben auf und sieht zu. Denn, wie gesagt, die Merozoiten sind schnell und sie tarnen sich mit Plasmodium-Antigenen, dem so genanntem "smoke screen". Diese "beschäftigen" die Immunabwehr, während die echten Merozoiten schon in den nächsten Erythrocyten eindringt. Der Vorgang wird auch als "Umsteigen" bezeichnet. Hier sind wir nun an dem Punkt, der die Malaria ausmacht: dem Fieber. Der Körper findet in seinem Blut eine Menge toter Blutzellen. Die muss er beseitigen. Durch die Erhöhung der Körpertemperatur verklumpen die toten Zellen und können aus dem Blut gefiltert werden. Da die Merozoiten eine bestimmte Zeit brauchen, um sich zu teilen, bis die Blutkörperchen wieder platzen, darum entstehen die o.g. Fieberwellen. Sie sind nur die wehrlose, unter Umständen tödliche (3) Antwort des eigenen Körpers.
  6. Der Malariaerreger erzeugt einen "stabilen Befall", was nichts anderes heißt, als dass die verschieden Erregerarten nur einen bestimmten Anteil des Blutes befallen. So wird zum Beispiel eine Grenze von 10% befallener Zellen nicht überschritten. Ist dieser stabile Zustand erreicht, bilden sich Gamonten (Vorformen von Geschlechtszellen). Und dann gibt es für sie nur noch zwei Wege. Entweder sie sterben ab oder aus ihnen entwickeln sich Makro- und Mikrogamonten, die frei im Blut treiben und durch einen erneuten Stich einer Mücke wieder aufgenommen werden.
  7. Sollte der letzte Schritt eintreten, dann gelangen die Gamonten in den Darm der Mücke, in sie innerhalb von 20Minuten zu Gameten werden. Wir befinden uns nun in der (geschlechtlichen) Gametangiogonie. Aus den großen Makrogameten werden je eine Makrogametocyten (w) und aus den Mikrogameten etwa 8 Mikrogametocyten (m).
  8. Es kommt dann zur sofortigen Befruchtung und zur Verschmelzung zur Zygote. Die wiederum ist keine gewöhnliche Zygote, denn sie ist eine Wanderzygote (auch Ookynet genannt). Wie es der Name schon sagt, sie hält es nicht lange an ihrem Ort im Darm. Sie setzt sich zwischen Darm- und Muskelschicht ab und gelangt in die nächste Phase.
  9. Da es jetzt nur zur Vermehrung und nicht zur Rekombination kommt, sind wir also in der ungeschlechtlichen Sporogonie. Aus dem einen Ookinet entstehen nun 4000Sporozoiten
  10. die ihrerseits in die Speicheldrüsen der Anophelesmücke wandern und bei einem nächsten Stich einen neuen Zwischenwirt infizieren. Damit ist der Kreislauf geschlossen.
Wenn man bedenkt, dass wir hier immer nur von Einzellern gesprochen haben. (4) Wahnsinn!






Anhang

(1) Hierbei ist ein Gedanke zu beachten: Ein Parasit kann nicht älter als sein Wirt sein. Das ergibt sich aus einer logischen Überlegung. Parasiten sind, wenn auch nicht immer wirtsspezifisch, so doch immer wirtsabhängig. Ihnen fehlen bestimmte Überlebensstrategien, die sie allerdings von ihrem Wirt nutzen können. So haben viele bakterielle Parasiten nur sehr wenig DNA. Das liegt daran, weil sie kaum einen Stoffwechsel haben, denn die meisten Stoffe können sie von ihrem Wirt beziehen. Ein anderes Beispiel wäre der Verdunstungsschutz. Bandwürmer haben zum Beispiel der Verdunstung kaum etwas entgegen zu setzen. In der Sonne liegend würden sie einfach vertrocknen. Da sie ihre Wirte aber nur selten verlassen, die Wirte jedoch einen Verdunstungsschutz besitzen, brauchen sie sich darum also nicht zu sorgen. Wir sehen also, dass Parasiten auf ihren Wirt angewiesen sind. Und wenn es keinen Wirt gegeben hat, dann kann es den Parasiten auch nicht gegeben haben. Freilich ist es möglich, dass sich ein Parasit (evolutionär) mit einem Wirt entwickelt und auf verschieden Arten aufgeteilt hat.


(2) Die Malaria ist nicht länger die Krankheit, an der die meisten Menschen auf der Welt gestorben sind. Mittlerweile hat AIDS den furchtbaren Spitzenplatz eingenommen.


(3) Die Zeit zwischen unter Umständen tödlichen Fieberwellen reicht aus (3 oder 4 Tage), damit eine Mücke den Infizierten erneut stechen und damit den Erreger Plasmodium wieder aufnehmen kann.

(4) Hier gibt es noch mehr Informationen zu den faszinierenden Leistungen von Einzellern.


Quellen wikipedia.de; Zoologievorlesung FSU
Bilderverzeichnis http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/11/Malaria_distribution_%28de%29.png

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/thumb/1/16/DDT-Einsatz_1951.jpg/459px-DDT-Einsatz_1951.jpg

Weiterführendes


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