Warum wir sehen können

Anders, als der Titel eigentlich vermuten lässt, geht es hier nicht darum, wie Bilder auf unserer Retina abgebildet werden und in unserem Hirn verarbeitet werden. Es geht hier um eine andere Frage, die ich im Folgenden näher erörtern werde.

Wir besitzen ein inverses Auge. Das bedeutet, dass die gesamte Verschaltung zwischen den Nervenzellen unserer Retina im Inneren unseres Augapfels liegen. Erst dann folgen die eigentlichen Photorezeptoren (siehe Mikroskopaufnahme unten). Das heißt, dass ein Lichtstrahl zuerst die Zellschicht mit ihren Nervenbahnen durchdringen muss, bevor es an die Rezeptoren gelangt. Nun lohnt es sich zu wissen, dass unsere Nervenbahnen isoliert sind. Damit Signale zwischen den Neuronen effizient weitergeleitet werden können, liegt eine Isolierschicht aus Myelin um die Nerven. Dieses Myelin ist ein Lipid (=Fett) und Bestandteil der so genannten Oligodendrocyten. Diese Zellen bilden kleine Ärmchen aus, an deren Ende sich kuchenblechähnliche Fortsätze entwickeln. Die Fortsätze wickeln sich um die Nervenbahnen und bilden örtliche Isolierungen (Myelinscheiden).


Eigentlich unproblematisch, könnte man denken. Wenn das Licht durch Zellen hindurch strahlt, wird es doch auch nicht von diesen Myelinscheiden aufgehalten werden. Das allerdings stimmt nicht. Das Myelin ist nämlich optisch sehr dicht. Das heißt, dass es Licht stark absorbiert. Würden die Nervenbahnen in unserem Auge myelinisieren (also, würden sich Oligodendrocyten in unserer Retina ausbreiten), könnten wir nicht mehr sehen. Es wäre also gut, wenn die Nerven der Neurone in unserem Auge nicht myelinisieren würden. Das würde aber auch bedeuten, dass die Nervenfasern vom Auge in das Gehirn nicht mehr myelinisieren würden. Darunter würde aber die Signalleitung leiden. Wie kann man also verhindern, dass Oligodendrocyten in das Auge einwandern, aber dennoch die außerhalb des Augapfels liegenden Nervenfasern umhüllen?


Dies wird durch ein Protein, dem Netrin, erreicht. Oligodendrocyten reagieren abstoßend auf dieses Protein. Das heißt, sie wandern von Regionen mit höherer Netrinkonzentration in Regionen mit niedrigerer Konzentration. Ein erster Gradient führt so dazu, dass die Oligodendrocyten aus ihrem Entstehungsbereich (der Subventrikularzone) in Richtung Auge wandern. Ein zweiter, kurzer, starker und entgegengesetzter Gradient, kurz vor der Retina verhindert das weitere Wandern der Oligodendrocyten.

Der genaue Mechanismus ist aber noch nicht vollständig verstanden. Es gibt noch mehrere offene Fragen, wie zum Beispiel, warum die beiden Gradienten nicht dazuführen, dass sich alle Oligodendrocyten in einem schmalen Bereich vor der Retina ansammeln, sondern, dass sie sich mehr oder weniger gleichmäßig über den Sehnerv verteilen.

Bildnachweis:
http://www.sxc.hu/browse.phtml?f=download&id=1138666
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2d/Retina-OCT800.png,
origin medOCT-group, Dept of Med. Physics, Med. Univ. Vienna, Austria, 2004

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